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Betrug im Reisebüro?

Gemäß dem Grundsatz "Happy wife, happy life" durfte ich letztes Jahr einen ausgiebigen Urlaub aussuchen müssen. So marschierten wir im Winter gemeinsam in ein bekanntes heimisches Reisebüro, und ich legte mich gleich auf den ersten Vorschlag fest, nämlich eine 14-tätige Pauschalreise nach Ägypten inklusive einwöchiger Nilkreuzfahrt für Anfang Mai, ein Sorglospaket, denn "all inclusive". 

Wir fühlten uns wirklich gut beraten, immerhin sogar durch die Filialleiterin, was mir zusammen mit der angeblich qualitativ hochwertigen Reise schließlich die Ausgabe von EUR 1.650,- plus 8% Aufschlag für eine Reiseversicherung wert war, obgleich es auch günstigere Anbieter gibt, aber man will ja auch etwas für die heimische Wirtschaft tun. 

Entscheidend bei Vertragsabschluss war für mich der Umstand, dass ein komplettes Ausflugspaket inkludiert war, womit ich mir tagelanges Recherchieren, Exceltabellen-Erstellen (wir sind da beide sehr penibel) und Vergleichen zu ersparen gedachte, denn da weiß ich mir die gemeinsame Freizeit mit meiner besseren Hälfte entspannter zu gestalten. Hier war alles dabei und die Sache somit erledigt, dachte ich zumindest. Und bessere Hälfte war happy.

So schnell wir uns auch entschieden hatten, so lange dauerte es, bis unsere Beraterin die erforderlichen Unterlagen ausgedruckt und sich vorher vergewissert hatte, dass das Ausflugspaket wirklich im Preis inbegriffen sei. Insgesamt drei Mal ging sie recherchieren, um uns schließlich freudig mitzuteilen, was das nicht für ein großartiges Angebot sei. Erstklassiges Resort, super Reederei, alles dabei, wobei sie aber nicht versprechen könne, dass es beim uns gezeigten Schiff bleibe, das könne sich noch kurzfristig ändern, aber auch die anderen Optionen seien nahezu gleichwertig toll. Und Badeschlapfen im Roten Meer anziehen, damit keine Verletzung den Urlaub trüben würde - wau, war die Dame um unser Wohlergehen besorgt!

Vor Unterschrift des ausgedruckten Angebotes war ich als Jurist echt beeindruckt, wie sorgfältig offensichtlich auf alle Leistungen ausdrücklich eingegangen wurde. Insbesonders wurden sämtliche Zusatzkosten wie Trinkgelder, Spesen, Taxen, Kosten für Visum etc akribisch genau beziffert, obwohl es sich ausschließlich um minimale Beträge handelte. Viel Mühe wegen relativ nix, war mein Eindruck. Damit schien für uns Konsumenten aber gut abschätzbar, was uns der Urlaub insgesamt kosten würde. Lediglich kurz wurde ich stutzig, denn unter "nicht inkludierte Leistungen" stand: Ausflugspaket, Trinkgeld Ausflüge (EUR 8,- pro Tag).

Ich stellte gegenüber der Filialleiterin klar, dass ich davon ausging, die Klausel beziehe sich (auch wegen des geringen angegeben Betrages) nur auf die Trinkgelder, die im Rahmen des Ausflugspakets eben zusätzlich anfallen, da letzteres ja, wie nunmehr geklärt, inkludiert war und unterschrieb den Vertrag, denn es war schon spät. Da mündliche Abreden rechtlich verbindlich sind, wäre es unhöflich und unnötig gewesen, jetzt noch auf zusätzlicher Arbeit zu bestehen, zumal unter redlichen Vertragspartnern ja alles geklärt war. (Und falls in den AGB des Reisebüros etwas anderes hinsichtlich Nebenabreden drinstehen sollte, nur der Hinweis, dass der OGH letzte Woche insgesamt 111 Klauseln der AGB einer Billigfluglinie für ungültig erklärt hat. Gute JuristInnen verschwenden daher gewöhnlich ihre Zeit erst gar nicht damit, irgendwelche AGBs von Soziopathen zu lesen.)

Zwei Wochen vor dem Urlaub rief mich meine Lebensgefährtin ganz aufgeregt an, denn ihr war beim Abholen der Reiseunterlagen nebenbei mitgeteilt worden, sie solle sich rechtzeitig um das Buchen der Ausflüge kümmern, sonst seien diese vielleicht vergriffen. Auf ihren Einwand, es sei uns versichert worden, ein entsprechendes Paket sei bereits inkludiert, ergab eine "erneute Überprüfung", dass dies "leider nicht der Fall sei". 

Am nächsten Tag telefonierte ich mit der Filialleiterin, die sich aber an gar nichts mehr erinnern konnte, was nach ein paar Monaten vielleicht auch nicht vorwerfbar ist, denn sie hat in der Zwischenzeit wahrscheinlich hunderte Verträge abgeschlossen, wir einen einzigen. Einem uns (freilich erst nach Ablauf der Rücktrittsfrist) übergebenen Prospekten entnahm ich überdies, dass am Schiff auch die Getränke gesondert zu bezahlen waren, wiewohl die gesamte Reise mit "all inclusive" beworben worden war.

Da ich mich während des Studiums sehr auf das Vertragsrecht spezialisiert hatte, war mir sofort klar: das ist ein gewerbsmäßiger Betrug, wenngleich wirtschaftspsychologisch äußerst geschickt eingefädelt, fast ein bisschen beängstigend: 

Sämtliche vernachlässigbaren Kosten wurden bis ins lächerlichste Detail aufgeschlüsselt, um die Kunden in Sicherheit zu wiegen. Dort, wo es jedoch um wirklich interessante, weil höhere Beträge geht, wurde diese Sorgfalt plötzlich außer Acht gelassen. Damit wird jedoch, und das ist dann natürlich weniger genial, der Betrugsvorsatz deutlich erkennbar:

Es ist wohl im Geschäftsleben üblich, bei Angeboten explizit auf optional zu erwerbende Zusatzleistungen hinzuweisen. Das geschieht mit Formulierungen wie: optional buchbar, Preise laut Prospekt, kostenpflichtiges Service, nicht im Basispaket enthalten etc. Jedenfalls zwingend geboten ist dies jedoch spätestens, wenn man vorher auf jede Kleinigkeit eingegangen ist. Dann darf der Vertragspartner darauf vertrauen, dass die Zusatzkosten wirklich allumfassend angegeben sind. Will man sein Gegenüber jedoch bewusst täuschen, kann man natürlich nicht im Vertrag etwas hineinschreiben, was dem mündlich Vereinbarten diametral widerspricht, denn dann wird der wohl misstrauisch. Man muss also ganz behutsam, schwammig formulieren, damit der Betrug nicht bemerkt wird. Ansonsten kann man nur hoffen, dass die Gegenseite sich nicht die Zeit nimmt, alles durchzulesen.

Bei genauer Betrachtung des Vertrages stellte ich dann fest, dass offenbar sogar ein (einziger!) Beistrich so gewählt worden war, dass unser Reisevertrag in beide Richtungen (Reisepaket inkludiert oder nicht) ausgelegt werden kann. Diese Mehrdeutigkeit ist bei dieser Betrugsmasche enorm wichtig, denn:

1. Die wenigsten Menschen verfügen über rechtliches Wissen. Kaum jemand kennt daher die Bestimmung, dass undeutliche Formulierungen ohnehin zu Lasten dessen gehen, der sich ihrer bedient hat (§ 915 ABGB).

Sogar meine Lebensgefährtin, selbst Akademikerin, war sich unsicher, ob wir alles richtig gemacht hätten, obwohl sie schon der Meinung war, dass die Sache nicht in Ordnung sei! KonsumentInnen, die sich selbst nicht sicher sind, ob sie über den Tisch gezogen wurden, werden natürlich eher keine rechtlichen Schritte ergreifen. 

2. Selbst wenn es zu einem Verfahren kommt, können sich die Betrüger darauf rausreden, dass man den Vertrag eben unterschiedlich auslegen könne. Selbst wenn die Klausel dann für ungültig erklärt wird, kann ihnen im Zweifel zumindest kein Betrugsvorsatz nachweisen werden. In korrupten Ländern könnten sich aber sogar Richter sehr unauffällig auf den betrügerfreundlichen Standpunkt stellen, indem sie urteilen, die KonsumentInnen hätten halt besser aufpassen sollen (vielleicht im Gegenzug für eine exklusive Kreuzfahrt als kleines Dankeschön). Denn aus der Sicht der Betrüger wäre es besser, einen Beamten zu bestechen, als hunderte Kunden entschädigen und sogar ins Gefängnis gehen zu müssen. 

3. Aber auch in unserem Rechtsstaat gibt es erfahrungsgemäß manchmal Juristen, die eins und eins einfach nicht zusammenzählen können und mit (im Grunde unvertretbaren) Rechtsmeinungen Gaunern, aber vielleicht auch vermeintlich Unternehmen, die Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen, in die Hände spielen, selbst wenn sie dies mit krimineller Gier tun.

Meines Erachtens gibt es aber in diesem Fall keine zwei Meinungen: das Ausflugspaket war schließlich mit zwei mal EUR 290,- zu berappen. Das Getränkepaket am Schiff wird man mindestens ebenso hoch bewerten können, wenn man sich vorstellt, was manche Urlauber in einer Woche an Cocktails und Hochprozentigem konsumieren. Just bei diesen beiden teuersten Punkten fehlt jeder noch so kleine Hinweis im Vertrag, dass hier mit Zusatzkosten zu rechnen ist. Um die Differenz hätten wir noch eine dritte Person einladen können. Bei Nennung des wahren Preises wären wir hingehen dankend zu einem anderen Anbieter gegangen.

Natürlich habe ich die zusätzlichen Ausgaben für uns beide übernommen, als Gentleman (und Inhaber einer Rechtsschutzversicherung). Vor der Reise wollte ich keine rechtlichen Schritte einleiten, erstens wegen unserer guten Laune und zweitens wegen der Krokodile im Zielgebiet (was weiß man, was so geschickten Kriminellen noch so alles einfällt). 

Die Reise selbst war toll und wir hatten noch Glück, dass sich unser internationaler Reiseveranstalter mit seiner Insolvenz so lange Zeit gelassen hat, bis wir wieder sicher zurück waren. Dieser Beitrag fällt auch deshalb länger aus als ohnehin schon üblich, weil ich ihn als Sachverhaltsdarstellung an die zuständige Staatsanwaltschaft übermitteln möchte, einfach um hier nach dem Rechten zu sehen und gegebenfalls KonsumentInnen vor Wiederholungstätern zu schützen.

Ich habe Verständnis, dass große Reisebüros unter der Konkurrenz von Billiganbietern leiden. Aber dass darf nicht dazu führen, dass wir KonsumentInnen unter Ausnutzung aller wirtschaftspsychologischen Tricks wie "Bezahlvieh" gemolken werden, damit andere weiter ihr Gewinne und Boni einstreichen können. 

Daher auch mein Aufruf: bitte um Zuschrift an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., falls jemandem etwas Ähnliches passiert ist, egal ob bei einer Pauschalreise oder einem anderen Vertrag, wo dann plötzlich weit höhere Kosten angefallen sind als ursprünglich ausgemacht. Und wo das Unternehmen den Vertrag hinterher plötzlich ganz anders ausgelegt hat als vor der Unterzeichnung. Die Verjährungsfrist bei Betrug liegt übrigens, soweit ich mich entsinne, circa bei 30 Jahren. Genug Zeit, um Kriminellen das Handwerk zu legen.

Für den Inhalt der Kolumne alleine verantwortlich: Mag. iur. Peter M. Zimmeter
Anregungen, Gegenargumente sowie allfällige Beschwerden bitte an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Geschrieben von Christoph Stattin am .

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