
Heizkessel ins Kinderzimmer, warum nicht?

Rund um die geplante Deponie im Klosterneuburger Naturschutzgebiet nehmen jetzt offenbar die pseudointellektuellen Rechtfertigungsversuche drastisch zu. Grund genug für Grünzeugs, sich die etwa beim Unterschriftensammeln und auf Facebook vorgeworfenen "Schutzbehauptungen" näher anzusehen. Und als gelernter Jurist erfinde ich gleich ein kleines Lehrbeispiel wie an der Uni, damit selbst Kinder verstehen, was hier passiert.
Familie Öko-Nachhalt möchte ein Haus bauen. Leider hat das Bauunternehmen Billiglohn-Pfusch Leitungen nicht ganz plangemäß und höchst kreativ verlegt, weshalb nun dessen stiller Teilhaber Architekt Gustl Gutsherr mit höchst progressiven Ideen versucht zu retten, was noch zu retten ist:
Na, die Waschmaschine stell'n ma ins Schlafzimmer, weil dort hamma ja die meiste Wäsche und das verkürzt die Transportwege. Der Heizkessel kommt ins Kinderzimmer, weil ihre Kleinen sind eh dauern im Wald, da könnens immer gleich ein paar Asterln mitbringen und in den Ofen schmeißen. Und in 20 Jahren hat sich das Problem mit der Optik sowieso von selbst erledigt, denn dann sind ihre Kinder vermutlich eh schon aus dem Haus...
Möchte irgendjemand so leben? Jahrzehntelang? Für alles im Leben gibt es seinen Platz, für die Waschmaschine im Badezimmer respektive der Waschküche, und Heizkessel platziert man nicht ohne Grund und wie der Name schon sagt im Heizungskeller. Und wie macht man das vernünftigerweise mit einer Deponie?
Deponien gehören, so wie Kläranlagen und Einkaufszentren vorzugsweise ins Industriegebiet, und sicher nicht ins Wohn- bzw. Naturschutzgebiet. Die Zubringung erfolgt idealerweise über gut ausgebaute Hauptverkehrswege, nicht durch historische Ortskerne respektive schulnahe Engstellen, denn manchmal kann leider auch schon ein einziger Infarkt tödlich enden. Auch für Regionalverkehr bemessene Brücken wären besser zu meiden, will man sie nicht vorzeitig überlasten und auf Kosten des Allgemeinheit in Stand setzen müssen.
Wenn man schon etwas aufschütten muss, was später zuwachsen soll, warum nicht eventuell schon nahegelegene Gärten in Hanglage begradigen oder zumindest eine tiefer liegende Wiese "höherlegen statt einen ganzen Schutzwaldhang zu roden?
Da Züge wenig Reifenabtrieb in unser aller Essen emittierten, wir SteuerzahlerInnen die ÖBB sowieso stützen müssen und Anrainer sich über Lärmschutzwände freuen, könnte man auch in diese Richtung nachdenken, zumal PV-Stromüberschüsse zu Mittag von den Netzbetreibern oft teuer vernichtet werden muss.
Natürlich kann man auch argumentieren, dass der Bodenaushub möglichst nahe bei den Verursachern gelagert werden soll, keine Frage. Wenn die CO2 Ersparnis dann aber durch großflächige Rodungen (samt Gefahr von Hangrutschungen oder gar Muren wie in Tirol) wieder kompensiert werden, sieht die Rechnung schon wieder ganz anders aus. Wie wir überdies vom VW-Skandal und auch Problemen bei anderen Deponien wissen, kann zudem der (quasi am Prüfstand) bewilligte Betrieb erheblich von der späteren Praxis abweichen, also Vorsicht bei Interviews mit den Betreibern in der regionalen Presse. (Bitte auch auf interessante Details achten, wie: "Unsere anderen beiden Deponien im Ortsgebiet sind gar nicht zur Gänze ausgelastet.")
Wichtig wäre jedenfalls, dass all diese Fragen in einem unabhängigen Verfahren eingehend erörtert und entsprechend berücksichtigt werden. Wie es hingegen nicht laufen darf, möchte ich im abschließenden zweiten Lehrbeispiel veranschaulichen:
Der Unternehmer Carlo Cartello bekommt von Bürgermeister Armin Amigo in einer idyllischen Fremdenverkehrsgemeinde das Grundstück einer nahen Verwandten verkauft, über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Dort soll jedoch, mitten im Wohngebiet, eine Deponie für Erdaushub errichtet werden, was zwar von der Gemeinde später offiziell bekämpft wird, aber auf Landesebene vorab bereits durchgewunken wurde.
Vom Betreiber wird öffentlich argumentiert, dass jeder Häuslbauer Dreck macht, aber keiner die Entsorgung bei sich in der Nähe haben will, was doch sehr egoistisch wäre. Völlig selbstlos gibt er auch an, dass ein anderer Standort nicht in Frage käme, weil eben genau dieses Grundstück dafür zur Verfügung stehe. ("Was mach' ma sonst damit?")
Auf Landeskontrollebene wird noch schnell ein zuständiger Beamter auf Kur geschickt, und durch einen deponiefreudlichen Juristen ersetzt, der aufgrund der Dringlichkeit gleich wesentliche gewerberechtliche Teile des Bewilligungsverfahrens "als irrelevant" unter den Tisch fallen lässt (und sich damit unbestätigten Meldungen zufolge für einen Richterposten in einem Landesverwaltungsgerichts in Stellung bringt). Basierend auf einem Gutachten des um zukünftige Aufträge besorgten Gutachters Univ.Doz. Dr. Ferdl G'fälligkeit wird die Deponie schließlich als völlig unbedenklich bewilligt. Unter Festsetzung einer unzureichenden Sicherstellung für den Fall, dass die öffentlicher Hand die Wiederherstellung des Waldes bezahlen muss, wird die Anlage schließlich erstinstanzlich bewilligt.
An den örtlichen Stammtischen übernehmen schließlich völlig parteiunabhängig agierende Meinungsmacher die ehrenhafte Aufgabe, zumindest die nicht in unmittelbarer Umgebung des Jahrzehnteprojektes lebende Bevölkerung auf die Notwendigkeit des Vorgangs für das Allgemeinwohl einzuschwören sowie schon prophylaktisch mit der Einstellung zu "impfen", dass die Grünen eh gegen alles sind. Alles unter dem Motto: Möge bis zum nächsten Wahlkampf Gras über die Sache gewachsen sein! (Für die Bäume wird es sich leider nicht mehr ausgehen...)
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