
Leistbares Wohnen und ideologische Denkfehler

Basierend auf den hervorragenden Überlegungen der Kapitalismuskritikerin Elizabeth Magie, Stichwort "The Landlord’s Game", wird das Vermieten von Wohnungen von vielen Menschen quasi als "kapitalistische Schweinerei" angesehen. Konsequenterweise werden gesetzliche Maßnahmen begrüßt, die dieses Geschäft für die sogenannten "Miethaie" weniger attraktiv machen. Dabei wird jedoch übersehen, dass sich die berechtigte Kritik der Autorin vermutlich rein auf Landbesitz bezog, während bei städtischen Immobilien die Ausgangslage eine völlig andere ist. Will man insbesonders jungen Menschen leistbares Wohnen ermöglichen, sollte man sich dieser gravierenden Unterschied bewusst sein, ansonsten gibt es bald nichts mehr zu vermieten, wie sich bereits abzeichnet. Denn:
Bei Landbesitz handelt es sich damals um eine natürliche Ressource, eine Wohnung hingegen ist, vergleichbar einem Auto, ein künstlich zu schaffendes und zu finanzierendes Luxusgut. Aus diesem Unterschied folgt: Wenn eine Familie ein Stück Land in Besitz nehmen konnte, war sie damit grundsätzlich einmal überlebensfähig: sie konnte Nahrungsmittel anbauen, Tiere halten, selbst Holz als Baustoff für ein Dach über dem Kopf war idealerweise im eigenen kleinen Wald gratis zu beziehen. Die "Landlords" hingegen hatten praktisch überhaupt keine laufenden Kosten, daher konnten bis zu 90% Steuern auf deren Einnahmen als sozialadäquat vom Staat kassiert werden. Würde unsere Politik jungen Familien entsprechende Liegenschaften in der Natur zur Verfügung stellen, könnte das Modell auch heute noch grundsätzlich funktionieren.
Völlig anders verhält es sich aber leider bei Wohnungen, besonders in Städten, denn sie sind kein Naturprodukt, wachsen also nicht einfach mal so in der Landschaft. Die muss erst einmal jemand finanzieren und instandhalten, was übrigens auch Opportunitätskosten verursacht, das heißt die mittelständische Eigentümerfamilie kann sich dann vielleicht das halbe Leben lang keinen Luxuswagen, teuren Skiurlaub oder gar Karibikflüge leisten. Auch wenn die städtischen Liegenschaften, auf denen heute Wohnanlagen stehen, einen enormen wirtschaftlichen Wert besitzen (beim Verkauf!), der praktische Nutzen des Bodens ist für die Eigentümer wie auch Mieter verschwindend gering. Erstens sind die Grundstücke fast zur Gänze hochgeschossig verbaut, und auf den verbleibenden Freiflächen, noch dazu dividiert durch die Anzahl der MiteigentümerInnen, lässt sich auch kaum mehr etwas anbauen, womit man eine Familie ernähren oder Baumaterial für Instandhaltung beziehen könnte.
Aber interessanterweise wird in Diskussionen immer nur auf die hohen Mietkosten, aber kaum auf die enorm gestiegen Preise für Handwerker und Baumaterialien Bezug genommen, welche die Erhaltung der vielleicht von verstorbenen Eltern geerbten Immobilien für private VermieterInnen fast nicht mehr leistbar macht.
Dazu kommt die nicht zu unterschätzende Sorge, dass private VermieterInnen Immobilien, die etwa eine Wohnung später ihren Kindern zur Verfügung stellen wollen, befürchten müssen, diese nicht mehr (vollständig), nicht unbeschädigt respektive unverraucht zurückzubekommen. Und falls sie gut verdienen, zahlen sie von ihrem "Wucherzins" noch bis zur Hälfte Steuern an das Finanzamt. Dann sollen sie noch die Maklergebühren übernehmen und sich als Kapitalisten beschimpfen lassen, wenn den klassenkämpferischen Mietern etwas nicht passt. Da zahlen sie notfalls doch lieber gleich eine Leerstandsabgabe, als sich die ganzen Scherereien anzutun. Somit entgehen dem Wohnungsmarkt viele gute Objekte und junge Familien klagen darüber, dass sie überhaupt keine passenden Angebote mehr vorfinden, oder von gewerblichen Vermietern wie Bittsteller behandelt werden.
Der Staat müsste, um ein Grundrecht auf Wohnen zu ermöglichen, hier massiv investieren, hat aber bekanntlich wenig bis gar kein Geld übrig. Daher überlässt er dies schon gerne dem freien Markt, den er nebenbei auch eifrig besteuert. Aber der hat seine eigenen, gewinnorientierten Regeln, die man kennen und berücksichtigen muss. Denn sonst passiert das, was schon öfters bei Eingriffen, etwa im Ostblock zu beobachten war: die Obrigkeit entwertet (wenngleich im guten Glauben, durch Steuern und Gebühren) oder enteignet sogar Immobilien, diese verfallen mit der Zeit, weil niemand mehr investiert (die Reichen erwarten sich keine Amortisation, die Armen haben trotzdem kein Geld) und am Ende ist alles noch viel schlimmer, weil irgendwann statt "leistbarem" Angebot "gar kein menschenwürdiges" Angebot mehr da ist. Das kann niemand wollen.
Aber falls ich mich irre, sollten wir schleunigst auch die großen Lebensmittelketten gesetzlich zu Niedrigstpreisen zwingen und schauen, wie lange die Grundversorgung dann noch gewährleistet ist. Und als nächstes die (teilstaatlichen) Ölkonzerne und (nicht staatlichen) Autohersteller, denn gibt es nicht auch ein Grundrecht auf (angemessene) Mobilität? Aber auf dem Sektor hört man kaum etwas. Warum wohl? Ein ungarischer Populist hat es erst kürzlich bei den Spritpreisen probiert, aber nur sehr kurz.
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