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Aktuelles

MinisterInnen ohne Rückgrat?

Von einer ehemals staatstragenden Partei wurde im Zuge der jüngsten Regierungsbildung nicht nur eine zuvor nach allen Regeln der Kunst diffamierte Umweltministerin in Richtung Opposition entsorgt, sondern auch gleich ihr ehemaliges „Superministerium“ quasi in Schutt und Asche gelegt. Könnte es sich hier um eine Machtdemonstration einer gekränkten Machterhaltungspartei handeln, um zu demonstrieren, womit im Falle zukünftiger Insubordinationen zu rechnen ist?

Ich persönlich halte es ja mit Seneca, der so treffend formulierte: „Jede Rohheit hat ihren Ursprung in einer Schwäche!“ Es ist bekanntlich verdammt schwer, gutes Personal zu bekommen, und folglich umso bitterer, wenn die eigenen Exponate der unbeugsamen Ikone des kleinen Koalitionspartners nicht einmal das abgegrabene Wasser reichen können. Aufmerksame BeobachterInnen der österreichischen Innenpolitik werden sich vielleicht erinnern:

Da gab es die Richterin, die infolge eines „glamourösen Verfahrens“ gegen einen Bankdirektor über Nacht mediale Bekanntheit erlangte und sofort als Quereinsteigerin zur Justizministerin „upgegraded“ wurde, denn so ein Talent konnte man sich natürlich nicht entgehen lassen. Mit der berüchtigten Selbstsicherheit einer gestandenen Strafrichterin richtete sie kurz darauf ihren KollegInnen sinngemäß aus, dass sich budgetär sicher keine personelle Aufstockung ausgehen werde, wie von der Richterschaft seit langem und wohl nicht ganz zu Unrecht gefordert. Für mich klang damals die „Message“ durch, die lieben ExkollegInnen sollten halt mehr „hackeln“.

Man wird der Juristin vielleicht zugestehen müssen, dass sie ihren neuen Traumjob nicht gleich durch Prinzipientreue aufs Spiel setzen wollte, wo sie budgetär ohnehin keinen Spielraum sah. Wenn ich mich recht erinnere, hat sie dann aber, infolge der viel interessanteren Herausforderungen als Politikerin sehr lange für die schriftliche Ausfertigung ihres Strafurteils benötigt, das auch noch vom OGH „zerpflückt“ wurde. So wechselte sie bald zu einem neuen Dienstgeber, dem König-Abdullah-Zentrum, mit dem sie sich offenbar auch sehr rasch identifizieren konnte, indem sie dessen Legitimation mit der markigen Aussage in Schutz nahm, dass Hinrichtungen in Saudi Arabien „nicht an jedem Freitag“ stattfinden würden. Tja, keine weiteren Fragen, Euer Ehren.

Karrieremäßig wohl besser hat es da eine ehemalige Innenministerin getroffen, die mir durch ein schauriges Fernsehinterview in zweifelhafter Erinnerung geblieben ist: Als zuvor abgeschobene minderjährige Kinder zu Weihnachten ihre wegen Krankheit im Land verbliebene Mutter wiedersehen wollten und zu diesem Zweck über Ungarn nach Österreich zurückkehrten, meinte sie doch freudestrahlend in die Kameras lächelnd, diese sollten halt nun in Ungarn um Asyl ansuchen, da sie ja jetzt über einen sicheren Drittstaat eingereist seien...!

Man wird der Politikerin vielleicht zugestehen müssen, dass sie durch „Rehleinaugen“ damals medial schwer unter Druck stand und ein bisserl die moralische Orientierung verloren hat. Aber generell bleibt anzumerken: wie sich manche PolitikerInnen einerseits immer wieder gerne als praktizierende KatholikInnen inszenieren und andererseits offenbar nicht das Geringste von dem verinnerlicht haben, was in der Kirche gepredigt wird, erscheint mir - gelinde gesagt - verstörend.

Kinder, die mit Billigung der heimischen Behörden jahrelang in österreichischen Schulen ausgebildet wurden, perfekt Mundart sprechen, sogar laut Wirtschaft nun im Land behalten werden sollen und überdies gemäß der Judikatur des EGMR nach Ablauf von 5 Jahren gar nicht mehr abgeschoben werden durften, ernsthaft in Ungarn bei null anfangen lassen zu wollen, dieses politisch kalkulierte „Florianiprinzip“ hat damals selbst in der eigenen Parteibasis niemand verstanden, bis auf ein paar wütende Funktionärinnen, wie ich einigen Gesprächen entnehmen konnte. Kindeswohl geht anders, Nächstenliebe auch und Humanität sowieso.

Aber selbst ein hochintelligenter Jurist und erfolgreicher Parteichef, um auch einen Mann mit in die Verantwortung zu nehmen, hat ja schon vor Jahrzehnten verkündet, dass mit christlichen Werten keine Wahlen mehr zu gewinnen seien. Das war der selbe Staatsmann, der in geradezu prophetischer Weitsicht einem nunmehr kriegsführenden Despoten attestiert hatte, ein „lupenreiner Demokrat und Europäer“ zu sein, und sich sogar noch nach dessen Überfall auf eine Insel eines Nachbarlandes gegen EU-weite Sanktionen ausgesprochen hatte, um weiter günstiges Gas zu bekommen. Als Rechtswissenschaftler hätte er wissen müssen, dass sich Unrecht niemals auszahlen darf, weil es sonst wiederholt wird. Stichwort: Politikerhaftung?

Den Vogel (und im Endeffekt wahrscheinlich auch die ehemalige Umweltministerin) abgeschossen hat für mich aber eine andere Juristin, Richterin und ehemalige Staatsanwältin. Was diese ihrer BM-Kollegin alles öffentlich unterstellte, möglicherweise sogar aus niedrigen Wahlkampfmotiven, wurde sogar in einem Gastbeitrag in der (konservativen!) Tageszeitung „Die Presse“ als „verdächtig nach Verleumdung riechend“ klassifiziert. Aber wozu das juristisch geschulte Hirn einschalten, wenn es gilt, der Parteilinie zu folgen.

Wie man als Strafrechtsexpertin einer Ministerin einen (Vorsatz zum) Amtsmißbrauch unterstellen kann, wenn diese vier Gutachten vorgelegt hat, dass ihrem geplanten Vorgehen Rechtskonformität attestiert, weiß wohl nur sie selbst. Mittlerweile ist das diesbezüglich von der Machterhaltungspartei angestrengte Strafverfahren rechtskräftig eingestellt, und auch ein renommierter ehemaliger Dekan der rechtswissenschaftlichen Universität Wien hat ganz klar dargelegt, dass die Umweltministerin korrekterweise den europäischen Umweltschutz gegen die (vermeintlichen und öffentlich zerbröckelten) Bedenken der Länderkammer abzuwägen hatte.

Darüber hinaus unterstellte die Juristin der wackeren Kämpferin für unser aller Zukunft eine „Pippi Langstrumpf Einstellung“, weil sie sich die Welt halt einfach so mache, wie es ihr gefalle. Zum Beleg dafür, dass sich die Koalitionspartnerin mit ihrem Amtskollegen im Landwirtschaftsministerium hätte koordinieren müssen, erklärte sie in den Medien im Grunde recht vernünftig klingende Grundsätze, wie dabei vorzugehen gewesen sei, um interministeriell Einvernehmen herzustellen.

Was sie freilich nicht dazusagte, und was von ihrer in die Irre geführten Anhängerschaft offenbar auch nie durchschaut wurde, war, dass diese Regeln laut Medienberichten erst in einer „Nacht und Nebelaktion“ erfunden worden waren, und zwar unter (möglicherweise vorauseilender) Mithilfe einer mitnichten weisungsunabhängigen Behörde, die nach Einschätzung einiger JuristInnen ein paar Wochen vor dem aufkeimenden Konflikt mit der Umweltministerin einen bemerkenswerten Schwenk in ihrer bisher „ständigen Rechtsmeinung“ um 180 Grad hingelegt hatte. Ihre eigenen Amtskollegen hatten sich freilich selbst ebensowenig an diese Prinzipien gehalten, aber quot licet iovi...!

Soweit zum Pippi Langstrumpf Vorwurf. „Demokratiefeindlich“ sind natürlich nur die politischen Gegner, besonders wenn man vergisst, dass die eigene Partei einen später verurteilten "I am a Lobbyist" - Ex-Minister entgegen einem klaren Vorzugsstimmenvotum zum europäischen Delegationsleiter machte, der viel gescholtene kleine Koalitionspartner hingegen den Wählerwillen respektierte und die Reihung entsprechend noch änderte, wenngleich im konkreten Fall vielleicht nicht einmal so ungern. Aber zurück zur ehemaligen Staatsanwältin:

So viel Parteilichkeit schadet in Österreich offenbar nur den „Opfern“, nämlich dem politischen Gegner bei der Nationalratswahl und der zu unrecht angegriffenen Ministerin. Die „Täterin“ wurde sogar aus der Politpension zurückgeholt und in höchste Landesämter befördert, denn soviel bedingungslose Loyalität gehört natürlich für alle Opportunisten erkennbar belohnt, unter dem Jubel einer kritiklosen Anhängerschaft. Dieser fällt natürlich auch nicht auf, dass der Schock darüber, dass man "überraschenderweise keine Handhabe gegen einen Rechtsbruch höchster Staatsorgane wie einer Bundesministerin" habe, wohl gelinde gesagt „vorgetäuscht“ war. Erinnern wir uns doch bitte zurück an einen Landeshauptmann, der vorsätzlich ein VfGH-Urteil ignorierte und weiter munter Ortstafeln verrückte. Schon damals wurde medial heftig darüber diskutiert, wie so etwas in einem Rechtsstaat sein kann.

Interessantes Detail: Wer war seit damals ununterbrochen an der Macht? Und wer hat es unterlassen, in staatstragender Verantwortung diesen von JuristInnen offen kritisierten Mißstand zu beseitigen, besonders mit Blick auf das wieder erstarkte dritte Lager, sonstige Populisten und Dämagogen, die europaweit aus ihren Löchern kriechen?

Seriöse Parteien sind für Österreich unverzichtbar, wie sich auch bei den letzten Sondierungsgesprächen gezeigt hat. Die WählerInnen spüren nämlich auch instinktiv, wenn sich Politiker heimlich von ihren Prinzipien verabschiedet haben, nur leider flüchten manche in eine falsche Richtung. Jedenfalls spiegelt sich die Entwicklung deutlich in den Wahlergebnissen wieder: die Wählergunst kann relativ schnell von früher knapp 50 auf 25% sinken, etwa wenn von einer ehemaligen „Partei der Intellektuellen“ erkennbar nur mehr „Partei“ übrigbleibt.

 
Für den Inhalt der Kolumne alleine verantwortlich: Mag. iur. Peter M. Zimmeter
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Geschrieben von Christoph Stattin am .

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