
Wegelagerer bei der OEBB?

Als großem Eisenbahnfan tut es mir in der Seele weh, die Frage aufwerfen zu müssen, ob bei unseren Bundesbahnen neuerdings Tarife in betrügerischer Absicht "erfunden" werden, wenngleich vielleicht aus wirtschaftlicher Not heraus?
Laut einem von den Medien aufgegriffenen Fall kaufte ein Bahnreisender ein Klimaticket für sein Heimatland und ein zweites für ein benachbartes Bundesland, wo er regelmäßig hinzufahren gedachte. Da diese Tickets laut Werbung ja für alle öffentlichen Verkehrsmittel im gesamten Bundesland gelten, und dazwischen bekanntlich nichts anderes existiert als ein gedanklichen Strich names "Grenze", war ihm klar, dass er somit zwischen den beiden Ländern beliebig Zugfahren durfte.
Verständlicherweise fiel er aus allen Wolken, als ihm ein Schaffner erklärte, dass er für diesen Grenzübertritt ein extra Ticket hätte kaufen müssen und schließlich "bloß aus Kulanz" von einer Strafe wegen Schwarzfahrens absah.
Nun berichtete eine große Tageszeitung, es gäbe ähnliche Bedenken beim neu gebauten Koralmtunnel, da die Klimatickets der Bundesländer (plötzlich) nur bis zum letzten Bahnhof im jeweiligen Land gelten würden, so jedenfalls die kolportierte "Rechtsauffassung" der ÖBB.
Doch ist das wirklich argumentierbar? Verursachen Grenzübertritte zwischen Bundesländern tatsächlich derartige Kosten für den Verkehrsbetrieb, dass diese nur über komplizierte Ticket-Stückelungen auf die KundInnen weiterverrechnet werden können? Werden extra Angestellte benötigt, die einen Grenzbalken betätigen oder Ähnliches? Oder ist auch hier die kritische Frage angebracht: Bitte wo ist denn da eure Leistung?!?
Wichtig zu wissen ist nämlich, dass der OGH Vertragsklauseln von Unternehmen, die für KonsumentInnen gröblich benachteiligend sind, für nichtig, also wirkungslos erklärt, explizit etwa dann, wenn "erfundene Leistungen" verrechnet werden.
Das wissen die jeweiligen Rechtsabteilungen großer Konzerne. Werden nun aber wissentlich Leistungen in Rechnung gestellt, die man nicht erbracht hat, besteht somit der begründete Verdacht auf versuchten Betrug. Aber man kann es ja probieren, oder? Nein, darf man nicht, denn jeder kleine Unternehmer wird für so einen Betrugsversuch eingesperrt, ganz gleichgültig ob er seine AGB entsprechend formuliert oder Gesetze beliebig uminterpretiert.
Logisch betrachtet gelten die Klimatickets entweder im gesamten Bundesland oder österreichweit, so wurde es auch jahrelang beworben. Bei Letzterem sind sogar Fahrten über die Staatsgrenzen hinaus (!) inkludiert, namentlich bis zu den Grenzbahnhöfen im Ausland, etwa nach Passau, aber auch in die Schweiz und nach Tschechien. Das heißt, das österreichweite Klimaticket gilt sogar teilweise auf ausländischen Schienennetzen(!), was wohl sehr praktisch und somit vernünftig ist, wenn man die Nutzung des öffentlichen Verkehrs für die Menschen attraktiver gestalten und sie eben gerade nicht kompliziert Fahrkarten stückeln lassen möchte.
Wenn man aber in erster Linie Gewinne erwirtschaften will (und das Klimaticket vielleicht ohnehin nie wollte), dann versucht man halt einfach, die Grenzen der Bundesländer enger zu definieren als geographisch zulässig und aus dem (bloß als Fiktion existierenden) Grenzgebieten eigene "Zonen" zu machen, für deren Durchquerung extra abkassiert werden kann. Wie man aber diese Erfindung exterritorialer Gebiete (vergleichbar der Unicity?) öffentlich und notfalls sogar in einem Betrugsprozess argumentieren will, bleibt gespannt abzuwarten.
Die Situation erinnert mich ein wenig an den Versuch der neuen Bundesregierung, den Familiennachzug nach Österreich auszusetzen. Man sei zuversichtlich, dass die rechtliche Argumentation auf europäischer Ebene halten werde. Ach wirklich?
Laut Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssen quasi bürgerkriegsähnliche Zustände oder damit vergleichbare Probleme nachgewiesen werden, damit dieser Eingriff gerechtfertigt ist, wie ein emeritierter Professor etwa kürzlich in der Tageszeitung "Die Presse" darlegte.
Das Kalkül erscheint in beiden Fällen klar: man will sich bewusst nicht an die Regeln halten, interpretiert sie zu Lasten anderer einfach so um, wie sie einem passen, und hofft, dass die Gerichte lange brauchen, bis sie die Rechtswidrigkeit des Vorgehens feststellen. Und dass diese keine Gewinnabnahme und empfindliche Strafen anordnen, damit sich der Rechtsbruch in der Zwischenzeit und letztendlich somit auch "unterm Strich" auszahlt.
Das ist meines Erachtens nicht bloß höchst egoistisch, sondern in einem Rechtsstaat bei entsprechendem (Eventual-) Vorsatz definitiv strafwürdig!
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